Obwohl die autosomal rezessive Erkrankung des Bardet-Biedl-Syndroms genetisch sehr heterogen ist, so bestehen doch deutliche Gemeinsamkeiten: Retinitis pigmentosa, distale Deformitäten an den Extremitäten, Nierenveränderungen, Adipositas, Hypogonadismus bei Männern und geistige Retardierung.
Bereits im Jahr 1866 haben Laurence and Moon ein Mädchen mit Adipositas, Sehstörungen und geistiger Retardierung beschrieben. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren es Bardet und Biedl, die unabhängig voneinander die beiden Symptome Polydaktylie und Hypogenitalismus ergänzten und damit zu unserem heutigen Verständnis der Erkrankung führten.[Error: Macro 'ref' doesn't exist]
Das Bardet-Biedl-Syndrom ist selten, jedoch scheint es in manchen geographischen Regionen, wie Neufundland und Kuwait, häufiger vorzukommen (1:13.500 to 1:17.500).
Die Ursprüngliche Definition des Bardet-Biedl-Syndrome enthält folgende Symptome: Fettsucht, Sehstörungen, geistige Retardierung, Polydaktylie und Hypogonadismus. Mit der Entwicklung unserer klinischen Erfahrungen und der molekulargenetischen Diagnostik eröffnete sich die Möglichkeit primäre und sekundäre diagnostische Kriterien zu unterscheiden und in ihrer Bedeutung für die klinische Diagnosestellung zu wichten.
Die Veränderungen an den Extremitäten betreffen vor allem die Finger. Über zwei Drittel der Patienten weisen bei der Geburt einen zusätzlichen Finger auf, der lateral aus Hand oder Fuß ragt und einen normalen Knochenaufbau aufweist. Zu jeweils etwa 20% tritt diese postaxiale Polydaktylie an allen vier Extremitäten oder nur an den Füßen auf. Nur an den Händen ist sie mit weniger als 10% deutlich seltener.
Augenveränderungen sind fast bei allen Patienten anzutreffen. Dies betrifft vor allem eine Dystrophie der Stäbchen und Zapfen die auch atypische Retinitis pigmentosa bezeichnet wird. Auffällig wird diese Erkrankung meist erst nach dem 8. Lebensjahr und dann vielleicht auch nur mit einer Nachtblindheit. Im Durschnitt sind die Patienten mit dem 15. Lebensjahr blind. Weitere Augensymptome wie Strabismus, Astigmatism, Grauer Star, Farbenblindheit, Makulaödem und Degeneration oder Atrophie des Sehnerven treten in den Hintergrund.
Körpergröße und Gewicht stellen wichtige Kriterine für die Diagnose dar. Während nur bei den Männern ein Zurückbleiben des Größenwachstums zu verzeichnen ist, zeigen beide Geschlechter ein Überdurchschnittliches Körpergewicht (übergewichtig 79% und davon sogar adipös 50%).
Die Ausmaß der Veränderungen am Veränderungen am Urogenitalsystem wurden erst mit der verbreitung der bildgebenden Diagnostik deutlich. Etwa 50% der eingehend untersuchten Patienten weisen solche veränderungen auf. Im einzelnen sind dies: Parenchym- oder Kelchzysten (10%), verplumptes Kelchsystem (10%), fetale Lobulierung (12%), Narben (12%), unilaterale Agenesie (4%), dysplastische Niere (5%), Verkalkungen (2%), and vesikourethraler Reflux (9%). bei etwa 10% führen diese Schäden zur Funktionseinschränkung und das terminale Nierenversagen erreichen etwa 5%.
Hypoplastische Genitalien sind nur beim männlichen Geschlecht nachweisbar. Geschlechtsreife Frauen fallen durch Störungen der Regelblutungen auf.
Die Diagnostik wird oft verzögert, da sich die Symptome allmählich entwickeln und die Erkrankung wegen ihrer Seltenheit wenig bekannt ist.
Auf die Diagnose wird meist durch eine sorgfältige Augenuntersuchung aufmerksam gemacht. Für die klinische Diagnosestellung sind vier primäre oder drei primäre und zwei sekundäre Diagnosekriterien erforderlich. Die molekulargenetische Diagnostik, wo immer möglich und erfolgreich, erlaubt eine definitive Diagnose.
Primäre Diagnosekriterien, von denen vier für eine definitive Diagnose erfüllt sein müssen, umfassen Stäbchen- und Zapfendystrophie, Polydaktylie, Fettsucht, Lernstörungen, männlicher Hypogonadismus und Nierenfehlbildungen.
Wenn nur drei primäre Diagnosekriterien erfüllt sind, erlaubt das Vorhandensein von zwei weiteren sekundären Diagnosekriterien dennoch eine definitive Diagnose. Dies sind im einzelnen: Sprachstörungen oder Verzögerte Sprachentwicklung, Strabismus/Katharakt/Astigmatism, Brachydactylie/Syndactylie, Entwicklungsstörungen, Polyurie/Polydipsie (renaler Diabetes insipidus), Ataxie/Koordinationsstörungen/Gleichgewichtsstörungen, leichte Spastik (in der unteren Extremität), Diabetes mellitus, Zahnschiefstand/kleine Zähne oder Zahnwurzeln/hoch gewölbter Gaumen, linksventrikuläre Hypertrophie/angeborene Herzfehler, Leberfibrose.